Interview mit LGBTQ- und Fantasyautorin Xenia Melzer über ihr brandneues Buch "Arthropoda"

Kürzlich durfte ich mit LGBTQ- und Fantasyautorin Xenia Melzer über ihr Schreiben, Elternschaft und ihr brandneues Buch Arthropoda sprechen, das am 02.03.2021 erschienen ist:

 

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1) Xenia, ich finde deinen Ansatz sehr ungewöhnlich: Du bist deutsche Muttersprachlerin, veröffentlichst aber auf Englisch. Zudem übersetzt du dich selbst ins Deutsche, was ich besonders interessant finde. Lass mich fragen: Wie ist das passiert? :-)

Zuerst möchte ich mich bedanken, dass Du mich zu Deinem Blog eingeladen hast. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Und warum und wie ich angefangen habe, auf Englisch zu schreiben? Nun ja, ich habe meinen ersten Fantasy-Roman, Gods of War, damals mit dem schönen Titel ‚Kriegsgötter‘, zunächst auf Deutsch geschrieben. Als ich genügend Worte für zwei Bücher zusammen hatte, fing ich an, nach einem Verlag zu suchen und habe schnell festgestellt, wie überfüllt der Markt ist. Da meine Hauptcharaktere auch noch schwul waren und die ganze Geschichte ziemlich blutig ist, waren meine Chancen, einen Verlag zu finden (das war 2014) gleich null. Ein Freund von mir, ein ehemaliger amerikanischer Austauschprofessor an der LMU*, hat mich gefragt, warum ich nicht versuche, einen englischsprachigen Verlag zu finden. Ich habe darüber nachgedacht, mir den Markt angeschaut, herausgefunden, dass der englischsprachige Markt für Geschichten mit schwulen Protagonisten im Vergleich zum deutschen Markt gigantisch ist und habe den Sprung gewagt. Zu meiner eigenen Überraschung habe ich gleich bei meiner ersten Bewerbungsrunde einen Verlag gefunden und seitdem bin ich bei Dreamspinner – mit einem kleinen Abstecher zu Pride Publishing dieses Jahr.

Was das Übersetzen betrifft – es macht irgendwie Sinn, mich selbst zu übersetzen, weil ich weiß, was ich sagen möchte … was oft ein Problem beim Übersetzen ist. Ich arbeite als Übersetzerin, darum weiß ich, wie schwierig es sein kann die richtigen Worte zu finden. Außerdem verdiene ich durch das Übersetzen meiner eigenen Werke mit dem jeweiligen Werk zusätzlich Geld, was nicht die Hauptmotivation, aber auch nicht zu verachten ist.

 

2) Warum schreibst du, was du schreibst?

Hmm, das ist eine schwierige Frage … Ich habe meine Fantasy-Reihe geschrieben (schreibe sie noch), weil ich etwas wollte, wo die Hauptfiguren nicht liebenswert und perfekt sind, sondern zwielichtig und manchmal so richtig verabscheuungswürdig. Ich wollte sehen, ob ich sie genauso lieben würde wie ‚traditionelle‘ Helden. Mich hat auch die übliche Mann-Frau Paarung gelangweilt und ich wollte etwas Neues ausprobieren.

Als ich angefangen habe, Gods of War zu schreiben, wusste ich sehr wenig über das Gay-Romance-Genre und die Probleme, denen LGBTQ-Menschen sich gegenübersehen. Meine Entschuldigung an dieser Stelle ist, dass ich auf dem Land aufgewachsen bin, wo dieses Thema sehr nachdrücklich totgeschwiegen wurde. Als ich tiefer in diese Welt eingetaucht bin, hat mir das auch interessante Erkenntnisse über mich selbst beschert. So habe ich herausgefunden, dass ich demisexuell bin.

Nachdem die beiden ersten Bücher der Gods of War Reihe veröffentlicht waren, hatte ich das Gefühl, dass ich etwas Neues versuchen sollte und habe mich an einer BDSM-Liebesgeschichte versucht, die in der Gegenwart spielt, weil dieses Genre mich zutiefst fasziniert. Ich möchte gerne glauben, dass mein Schreibstil sich in den letzten Jahren verbessert hat und meine Interessen haben sich noch breiter gefächert, was zum ersten Buch in einer Paranormalen Serie geführt hat, Demon’s Wish. Es ist die erste Komödie, dich ich geschrieben habe und ich bin froh, dass sie den LeserInnen zu gefallen scheint. Am 2. März wird meine erste Detektivgeschichte veröffentlicht und ich bin schon ganz nervös, wie sie bei den LeserInnen ankommen wird. Ich habe schon immer AutorInnen bewundert, die einen komplizierten Plot schaffen können, bei dem am Ende der Mörder jemand ist, mit dem niemand gerechnet hat. Das ist ziemlich schwierig und ich musste das Buch ein paar Mal umschreiben, aber ich glaube, dass Arthropoda ausreichend mysteriös geworden ist.

 

3) Und wie schreibst du? Das wird besonders für andere Autor*innen interessant sein. Hast du eine bestimmte Vorgehensweise oder ist jedes Buch anders?

Ich schreibe gehäufelt. Und linear. Also, ich fange mit einer Idee an, schreibe einen Plot mit Stichpunkten, für die Detektivgeschichten male ich Mind Maps, dann fange ich zu schreiben an, indem ich mich an den Stichpunkten entlang hangele, bis einer meiner Charaktere (oder auch alle) entscheidet, die ganze Sache zu schmeißen und ab da improvisiere ich. Manchmal habe ich Ideen für bestimmte Szenen, schreibe die auf und baue den Rest der Geschichte dann um diese Szenen herum. Demon’s Wish war das erste Buch, bei dem ich mich an spezifische Instruktionen von Seiten eines Verlags gehalten habe, damit die Geschichte in einer bestimmten Linie erscheinen kann. Am Ende wurden die Spezifikationen geändert und die Geschichte hat nicht mehr gepasst, darum habe ich sie einem anderen Verlag angeboten. Die Erfahrung, nach strengen Vorgaben zu schreiben, hat mir als Autorin aber definitiv gutgetan.

 

4) Gibt es ein bestimmtes Wetter oder eine Jahreszeit, in der du am liebsten schreibst? Falls ja, warum?

Nein. Ich schreibe am besten, wenn ich eigentlich etwas anderes tun sollte, wie zum Beispiel schlafen, LOL.

 

5) Du hast zwei Kinder, veröffentlichst aber regelmäßig Bücher. Erzähl uns doch, wie machst du das? Hast du feste Schreibzeiten oder schreibst du, wann immer es eben möglich ist?

Früher habe ich geschrieben, wann immer ich Zeit übrig hatte. Wegen Covid-19 und Homeschooling habe ich meine Herangehensweise etwas verändert. Jetzt habe ich festgelegte Zeiten und versuchte, mich daran zu halten. Das ist nicht immer einfach und es gibt Tage, an denen ich vollkommen versage, aber ich werde immer besser.

 

6) Vielleicht ist das zu persönlich, aber es fasziniert mich: Hat die Mutterschaft deine Art zu schreiben oder deine literarische Stimme verändert?

Oh, das hat es ganz eindeutig. Meine erste BDSM-Romanze, Ein Dom und sein Schriftsteller, handelt von einem etablierten Paar, das sich auf einmal um ein Baby kümmern muss. Die Geschichte ist stellenweise etwas dramatisch und ich hatte LeserInnen, die meinten, die negative Reaktion einer der Hauptcharaktere auf das Baby ist absolut unrealistisch, genau wie einige der Dinge, die das Baby und der andere Hauptcharakter machen, während all jene LeserInnen, die selbst Eltern sind, sagten, dass die Geschichte das Elternsein ziemlich gut porträtiert. Also ja, die Mutterschaft hat meinen Schreibstil beeinflusst. Aber nicht so sehr wie Covid-19. Seit die Pandemie losging, bin ich weicher geworden. Einige der blutigeren Szenen in meiner Fantasy-Reihe, die ich geschrieben hatte, bevor dieser ganze Schlamassel losging, sind mir jetzt zu heftig und ich habe ernsthaft darüber nachgedacht, einige davon zu löschen. Ich habe es dann nicht getan, aber es ist mir schwergefallen.

 

7) Ich staune regelmäßig, wie offen und aufgeschlossen du bist. Du scheinst keine Selbstblockaden oder enge innere Grenzen zu haben. Ist das angeboren oder kann man es lernen?

Ooh, ich habe jede Menge innere Blockaden. Was mir hilft, sie zu überwinden, ist mir zu sagen, dass solange etwas nur in meinem Kopf existiert, alles in Ordnung ist. Wenn eine Idee in meinem Verstand lange genug überlebt, um zu einem Punkt zu reifen, an dem ich denke, ich kann sie auf die Außenwelt loslassen, dann mache ich das. Demon’s Wish zum Beispiel war ein Experiment. Ich halte mich selbst nicht für sonderlich lustig und ich wollte sehen, ob ich ein Buch schreiben kann, das die Dinge von der heiteren Seite nimmt.

 

8) Und nochmal zum Buchgeschäft: Was ist der Unterschied zwischen dem deutschen und US-amerikanischen Buchmarkt? Hast du eine Veränderung im Coronajahr 2020 beobachtet?

Nun, was die LGBTQ-Thematik betrifft, sind der Unterschied ungefähr zehn bis fünfzehn Jahre. Der deutsche Markt fängt jetzt erst an, sich dahingehend zu öffnen, weil er endlich das große Potenzial erkannt hat. Der englischsprachige Markt ist schlicht und ergreifend gigantisch und bietet dadurch natürlich auch mehr Chancen, ein Publikum zu finden. Ich denke, der deutsche Markt ist – nicht ganz, aber in großen Teilen – immer noch zu traditionell und langsam. Als ich angefangen habe, das Manuskript von Gods of War an amerikanische Verlage zu schicken, war ich überrascht festzustellen, dass sie alles digital haben wollten. Meine Erfahrung mit deutschen Verlagen war, dass sie das Manuskript ausgedruckt haben wollten … was sich mittlerweile geändert hat, aber damals haben viele noch so gearbeitet.

Was Corona betrifft, denke ich, dass es einen deutlichen Anstieg der eBook-Verkäufe gegeben hat, weil die Leute mehr Zeit zu Hause verbringen. Das spiegelt sich auch deutlich in meinen Verkaufszahlen wider. Was ich vermisst habe, waren die Leipziger Buchmesse und die Möglichkeit, LeserInnen näherzukommen und mit ihnen und anderen AutorInnen über verschiedene Themen zu diskutieren. Das geht mir ab und ich hoffe, dass es 2022 wieder besser wird.

 

9) Du hast sicher schon einige Lesungen gehalten, richtig? Was war die seltsamste Frage, die du dort jemals gestellt bekommen hast?

Oh, da müsste ich lügen, um etwas Interessantes erzählen zu können. Normalerweise wollen die Leute wissen, warum ich Figuren auf eine bestimmte Weise darstelle oder warum ich überhaupt im Gay Romance Bereich schreibe. Das sind absolut legitime Fragen und bis jetzt ist mir noch keine wirklich seltsame untergekommen … Tut mir leid.

 

10) Wer sind deine Lieblingsautor*innen und warum bedeuten sie dir so viel?

Ottfried Preußler, Die kleine Hexe. Das beste Kinderbuch aller Zeiten.

Neil Gaiman, American Gods und The Ocean at the End of the Lane. Dazu seine Graphic Novels. Ich liebe den Aufbau seiner Geschichten und die Plot Twists am Ende.

Terry Pratchett. Die Scheibenwelt-Romane, Good Omens. Ein Genie, das uns zu früh verlassen hat.

 

11) Dein neues Buch, die Detektivgeschichte "Arthropoda", wird im März auf Englisch erscheinen. Was hat dich dazu inspiriert und warum sollten wir es lesen?

Ich habe im Fernsehen eine Doku darüber gesehen, wie Insekten die Welt anders wahrnehmen als wir. Es hat mich sehr fasziniert und dann wollte mein Hirn wissen, wie es wohl wäre, wenn man mit ihnen verbunden ist und die Welt durch ihre Augen sieht. In diesem Moment hat Andi Hayes das Licht der Welt erblickt. Warum man das Buch lesen sollte – alles, was eine AutorIn auf so eine Frage sagt, klingt immer wie Selbstbeweihräucherung, aber ich denke, man sollte es lesen, weil ich versucht habe, die Schönheit und die Probleme einzufangen, die entstehen, wenn man die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven sieht. Außerdem ist die Geschichte spannend, hat mir zumindest mein Lektor versichert und ich hoffe, dass er mich nicht angelogen hat, ha, ha!

 

Danke für deine Zeit, Xenia, es war mir ein Vergnügen!

 

* Ludwig-Maximilians-Universität in München.

 

Links

Webseite: https://www.xeniamelzer.com/

Facebook: https://www.facebook.com/xeniamelzer/

Verlag: https://www.dreamspinnerpress.com/books/arthropoda-by-xenia-melzer-11824-b

Amazon: https://amzn.to/B08SFL6SL2

(Meine Empfehlung: Direkt beim Verlag kaufen, falls möglich, gut für Verlag und Autorin.)