Interview mit mir über meinen Fantasy-Roman auf Twitter

Interview mit Fantasy-Autorin und Lyrikerin Karin S. Heigl

 

Dein Fantasyroman „Der Prinz unter dem Meer“ hat eine wirklich eigenwillige Story. Wie bist du darauf gekommen?

Ich hatte einen Traum, den ich unbedingt in eine Geschichte verarbeiten musste: Ein junger Mann wird zu den Fischen verbannt, endet in einem Aquarium und wird dann von den Tintenfischleuten gebraten und gegessen. Wenn das nicht seltsam ist!

Bestimmt war das nicht ganz einfach zu schreiben.

Die Idee ist erst einmal skurril, aber das Schreiben ging erstaunlich leicht. Ich musste eine Methode finden, wie ich ihn erfolgreich zu Ende schreiben kann und nicht nur immer neue Seitenwege begehe. Also habe ich es konsequent mit der Schneeflockenmethode versucht und es klappte prima! Innerhalb von drei Wochen hatte ich 100 Seiten. Das ist eineinhalb Jahre her. In diesem Sommer habe ich den Rest verfasst und überarbeitet, zuletzt im November in mehreren Nachtschichten.

Die Schneeflockenmethode – das musst du erklären!

Das ist recht simpel: In einem Satz die Handlung zusammenfassen. Dann daraus fünf Sätze. Aus jedem dieser Sätze jeweils einen Absatz. Und flugs ist man mitten in der Geschichte!

Und für welche Leser hast du sie geschrieben?

Es ist ein episches und bittersüßes Märchen über die verbotene Liebschaft zweier Thronerben. Leider sind ihre Völker verfeindet und so entspinnen sich einige romantische, aber auch spannungsreiche Handlungsfäden. Es ist abenteuerliche Romantasy für Mädchen und junge Frauen ab 16 Jahren; da aber Dinge wie Abenteuer, Heldentum, Selbstaufopferung, Mut, Familie und Freundschaft vorkommen, ist es auch für männliche Fantasy- und Märchenfans geeignet. Besonders gute Rückmeldungen hat die Unterwasserwelt erhalten, in der dunkle Wesen hausen und in der ein großer Teil der Handlung spielt. Auch die Seehexe lohnt einen genaueren Blick. Mir persönlich sind spannende Verwicklungen in Verbindung mit feinfühligen Charakterbeobachtungen wichtig.

Hast du auch eine Philosophie beim Schreiben? Was möchtest du bewirken und was gibt es dir selbst?

Ich schreibe, weil ich etwas Schönes weitergeben möchte, und weil ich weiß, dass Literatur und Kunst allgemein eine große Macht haben – warum sonst würde man Journalisten, Schriftsteller, Künstler in autoritären Systemen als erste verschwinden lassen? Das freie und ehrlich von innen heraus gesprochene Wort kann bewegen, anspornen und den Leuten Mut geben. Das bewegt mich an der Literatur. Das Schreiben ist außerdem mein Ruhepol. Es ist ganz anders als das rasche und zerfetzte Schnelltexten der modernen Medien. Die haben natürlich ihren Nutzen und Reiz. Aber wenn ich über einem Gedicht brüte, fokussiert das meine Gedanken: Wie kann ich sehr viel in sehr wenigen Worten ausdrücken?

Schreibst du für jedes Buch anders oder hat sich eine Strategie besonders bewährt?

Ich habe vor dem aktuellen Fantasyroman einen dystopischen Jugendroman verfasst, ein Coming-of-Age-Roman in Form einer Road Novel, und ein mehrtausendseitiges Drachen-Epos. Beide sind noch nicht veröffentlicht. Und für alle drei Bücher war die Strategie eine andere: Der Jugendroman völlig intuitiv; ich ließ mich von der Geschichte mitnehmen, was ein berauschendes Erlebnis war: Sich vier Wochen lang jeden Tag hinzusetzen und nicht zu wissen, was als nächstes passieren würde. Nach diesen vier Wochen war die Geschichte erzählt, aber die Überarbeitung ist nun schon ins vierte Jahr gegangen, haha! Das Drachen-Epos war eine Mischung aus Planen und intuitiv Schreiben. Im Moment liegt es auf Eis, ich werde aber später daran weiterarbeiten. Der aktuelle Fantasyroman klappte am besten mit der Schneeflockenmethode, das hat mir viel Spaß gemacht.

Hörst du beim Schreiben Musik oder schreibst du lieber in der Stille?

Ich mag beides. Ich höre ganz gerne Trivium beim Schreiben, eine herausragende Metalband aus Florida. Mittlerweile höre ich auch gerne Dark Elektro/Industrial. Die Klänge transportieren die richtige Mischung aus düster, episch und leidenschaftlich, in der ich am besten schreiben kann.

Was ist dir als Leserin an einem Buch am wichtigsten?

Mir ist die Tiefe am wichtigsten und die Schönheit der Sprache. Ich kann über viele Logikfehler hinwegsehen, wenn mich die Geschichte mitnimmt und ich mich in den Zauber des Textes hineinfallen lassen kann. Ich ärgere mich sehr über Grammatik- oder Rechtschreibfehler; sie sind vermeidbar und nachlässig. Dagegen ist Logik für mich zwar auch wichtig, aber zweitrangig. Teilweise passt "Unlogik" sogar in die Geschichte, und außerdem sind Menschen und ihre Figuren nicht zwangsweise logische Wesen. Das kommt von meinem Hang zur Lyrik und zur Musikalität der Sprache.

Welche Autoren inspirieren dich am meisten?

1. J.R.R. Tolkien, weil die poetische Tiefe seiner Texte unerreicht ist! 2. Georg Trakl, weil seine Gedichte in Farbenpracht und Düsternis unübertroffen sind! 3. Franz Kafka, weil seine Texte die seltsamsten, rätselhaftesten und dunkelsten sind, die ich je gelesen habe!

 Hast du ein Lieblingswetter oder -klima, bei dem du am besten schreiben kannst? Eine bevorzugte Jahreszeit? Wo schreibst du am liebsten?

Ich kann überall schreiben, ich nehme einfach den Laptop oder Smartphone und Bluetooth-Tastatur und los geht's. Meine Lieblingsjahreszeit ist allerdings der Winter. Wenn alles tief verschneit ist, herrscht eine traumhafte Stille. Alles ist ruhig, nur hie und da hört man Eiskristalle auf den Schnee fallen. Da kann der Geist ausruhen.

Du interessierst dich auch für Schauspielerei und Film. Nimmst du daraus etwas für dein Schreiben mit?

Ja, schon. Im Film kann ein Gefühl hauptsächlich über das Gesehene mitgeteilt werden, das ist eine starke Begrenzung, zugleich aber eine Möglichkeit: Feine Mimik nutzt genau diese Begrenzung und Schauspieler wie Patrick Stewart spielen hier ihre Stärken aus. Auch sprechende Blicke können hervorragend Gefühle transportieren, z.B. in der Serie "Ragnarök", wo sie erholsam wenig reden. Dasselbe versuche ich auch für meine Bücher zu erreichen, wo ich aber im Gegensatz zum Film auch innere Monologe, Gedanken, Wahrnehmungen und Empfindungen niederschreiben kann. Ich finde reizvoll, wenn Figuren mehr über Gesten als über direkte Worte kommunizieren. Und wenn sie etwas sagen, dann mit wenigen Worten sehr viel. George Lucas z.B. war wichtig, die Exposition so knapp wie möglich zu halten. Daher ließ er Luke nur ein paar spärliche Worte sagen, als er Leia eröffnete, dass sie seine Schwester ist. Sehr gelungen! Film und Buch sind also nah verwandt und können durchaus ähnliche Stilmittel verwenden.

Gibt es ein Buch, das dich tiefgreifend beeinflusst hat?

Es gibt mehrere Kinderbücher, die ein Teil von mir geworden sind. Als Jugendliche/junge Erwachsene um die 19 dann habe ich "Schneeland" von der schwedischen Autorin Elisabeth Rynell gelesen. Es spielte in Nordschweden und es ging – Überraschung! – viel um Schnee. Mich beeindruckten vor allem die Metaphern, die sie wählte, um Empfindungen mit der Natur zu verschmelzen. Der Schmerz der Protagonistin z.B. wurde in scharfen Eisschichten geschildert, zwischen denen der restliche Schnee zusammengeschmolzen war. Mächtiges Bild! Ich mag so eine "naturromantische" Ausdrucksweise. Dann der Herr der Ringe, weil wie gesagt die Tiefe dieses Werkes herausragend ist. Die finde ich selten in anderen Büchern, denn natürlich nimmt man sich normalerweise nicht mehrere Jahrzehnte Zeit für ein Werk.

Und noch einmal zu deinem neuen Roman: Was ist seine Botschaft?

Ohne zu viel zu verraten: Erst erscheinen die beiden Völker unterschiedlich, aber die Gemeinsamkeiten werden mehr und mehr herausgearbeitet. Eine der Hauptbotschaften ist, dass Vielfalt und Offenheit erstrebenswert sind. Und dass es nicht zwangsweise nur von Nachteil ist, wenn etwas anders läuft als man es sich ersehnt, weil man niemals das ganze Gefüge überblicken kann. Ein wenig Demut also, und über sich selbst hinaussehen. Ich wünsche viel Lesevergnügen mit der Märchenwelt des Farnvolkes, der Feuermenschen und der Unterseeleute. Das Buch ist in sich abgeschlossen, aber ich plane eine Fortsetzung.

Danke, Karin, für deine Offenheit, und viel Freude und Erfolg mit dem „Prinzen“!

 

„Der Prinz unter dem Meer“ ist ab sofort hier erhältlich: https://tredition.de/autoren/karin-s-heigl-35879/der-prinz-unter-dem-meer-paperback-142743/